Freitag, 18. Februar 2011

Rezension: Black Swan

Kategorie: Kinofilm

Die Fakten: Der neuste Film des Shootingstars Darren Aronofsky handelt von der Inszenierung des Ballettsstücks „Schwanensee“, bei dem die junge Ballerina Nina Sayers (Natalie Portman) die Hauptrolle zu ergattern hofft. Das Stück wird von dem genauso berühmten wie exzentrischen Thomas Leroy (Vincent Cassell) inszeniert, der seinen Darstellern alles abverlangt und keine Grenzen im Umgang mit ihnen kennt.
Nina selbst ist so etwas gewohnt, da ihre Mutter Erica (Barbara Hershy), die treibende Kraft hinter ihrem Schaffen, sehr ähnlich mit ihr umgeht. Sie war selbst früher Ballerina, allerdings ohne großen Erfolg, weswegen sie jetzt ihren Traum durch die Tochter auslebt. Ihre „Fürsorge“ hat Nina zu einem ziemlichen Nervenbündel gemacht, das sich ständig selber blutig kratzt, viel kotzt und eigentlich vor allem Angst hat, was sich bewegt.

Als Nina die begehrte Rolle tatsächlich bekommt dreht sich die Psycho-Spirale immer weiter. Während ihr Thomas immer extremer auf die Pelle rückt eskaliert die Situation mit ihrer Mutter zusehends. Zusätzliche Probleme bereitet die Ballettkollegin Lily (Mila Kurnis), bei der sich Nina nie ganz sicher ist, ob sie Freundin oder Konkurrentin ist.

Besondere Probleme bereitet Nina indes die Darstellung des Black Swan, eines bösen Zwillings ihrer Rolle, der ebenfalls von ihr verkörpert werden soll. Als sie versucht sich seiner „dunklen und zerstörerischen Energie“ zu öffnen, wie es Thomas von ihr verlangt, beginnt ihr strapaziertes Nervenkostüm zusehends zu zerfasern. Die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit verschwimmt für sie immer mehr, bis sie droht sich völlig im Wahn zu verlieren.

***Achtung: Ab hier gibt es Spoiler***

Was mich Luftsprünge machen lässt: Black Swan ist mit so viel Wucht inszeniert, dass es einen in den Sessel presst und kaum noch Luft zum atmen lässt. Ninas Abstieg in den Wahnsinn hat die Energie eines abstürzenden Aufzugs, und Natalie Portman weiß ihre verzweifelte Hilflosigkeit auch überzeugend darzustellen. Genial kulminiert das in der Schlussszene, in der die Kamera unbeirrbar hinter Nina klebt und ihr auf eine perfekt choreographierte Achterbahnfahrt durch alle Welten und Ebenen hindurch folgt. Ich habe schon einige Filme, wie z..B. Matrix Revolutions, gesehen, die ähnlich fulminante Schlussakkorde angestrebt haben, nur um sich in kopfloser Hektik zu verzetteln – Black Swan zeigt endlich, wie man so etwas richtig macht.
Neben dem ganzen technischen Können weiß aber auch die Darstellung der systematischen Zerstörung Ninas zu überzeugen. Ihre Mutter hat sie durch konstante Beschneidung zu einem hübschen kleinen Bonsaibäumchen verkrüppelt, aus dem Thomas nun das rechte Feuerholz zu machen weiß. Das System, in dem Nina feststeckt, kennt keine Gewinner, sondern nur Material. Demonstriert wird das an Hand der alternden Diva Beth, die alles erreicht hatte, wovon Nina träumt, jetzt aber wegen ihres Alters als gebrochenes Wrack am Wegesrand zurück bleibt während der Zirkus weiterzieht. Für Nina gibt es nur den Moment, aber ganz sicher keine Zukunft.

Die Stärke und Relevanz von Black Swan liegt dabei darin, dass die Formelhaftigkeit der Geschichte mit dem nötigen Fingerspritzengefühl herausgearbeitet wird. Die Fabel vom Material Mensch, das zum Futter des von ihm geschaffenen Systems wird, ist brisant umgesetzt. Sätze wie „Hör auf so schwach zu sein!“ und „Ich bin mir nicht sicher, ob du das hier wirklich willst“ hat man so auch schon von Detlef D! Soost und Bruce Darnell gehört. Black Swan funktioniert deshalb auch bestens als Parabel auf die ganzen Casting Shows und der damit einhergehenden Mentalität. Man kann sich auch jetzt schon mal fragen, wie die jetzige Riege der Finalisten von DSDS einmal ihre Kinder aufziehen wird. „Du hast es doch nie geschafft aus dem Chor heraus zu kommen,“ schmettert Nina einmal ihrer Mutter entgegen, in einem der wenigen Momente, in denen sie ihr Paroli bietet. Damit reflektiert sie die Weltsicht, die sie von dieser mitbekommen hat, und der unterschwellig dabei mitschwingende Vorwurf lautet freilich: Du hattest keinen Namen, kein Gesicht, keine Stimme. Du bist niemals wirklich Mensch gewesen.

Was mir trotzdem eine leichte Muskelzerrung verpasst: Black Swan ist laut! schnell! heftig! In seinem ganzen Verlauf gibt es keine ruhige Szene, in der man als Zuschauer mal Zeit hätte das Geschehen zu reflektieren und Ninas Entwicklung angemessen rational zu betrachten. Zuschauer, die keine Lust darauf haben den Film anschließend noch einmal in Gedanken durchgehen werden deswegen wohl Mühe haben, alle Facetten korrekt einzuordnen. Diese Form der Überforderung ist natürlich Stilmittel, das Ninas eigenen Zustand reflektiert, wird aber auch leicht anstrengend.
Überhaupt ist Nina schon wirklich sehr stark auf Opferlamm getrimmt. Sie ist eine Flipperkugel, die unbarmherzig immer wieder gegen die Bande geknallt wird, und auch wenn sie den Jackpot abräumt ist klar, dass ihr endgültiges Schicksal nur im Aus liegen kann. Das schmeckt dann doch so stark nach Passion Christi, dass am Ende auch eine Kreuzigung mit anschließender Himmelfahrt kommen könnte.
Überhaupt sind Mutter Erica und Thomas solche Klischeefiguren, dass sie direkt aus einem Lehrbuch abgeschrieben zu sein scheinen. Aber halt, hier kann ich nicht wirklich mäkeln – Inszenierung und Darstellern ist es nämlich zu verdanken, dass diese Rollen doch so plastisch wirken, dass es eher scheint, als ob die Lehrbücher über sie geschrieben worden wären. Unterm Strich werfen auch die Platitüden in Black Swan lange Schatten, und schon das allein ist sehenswert.

Mein Fazit: Wenn Ballett immer so wäre, würde ich es auch schauen.

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Genauso ist es. Dabei ist das Thema ja eines der Hauptthemen...
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