Freitag, 18. Februar 2011

Liebe in Zeiten der Bravo

Ninia LaGrande hat in ihrem Blog eine feministische Analyse der Bravo Girl veröffentlicht (gefunden via BILDblog), in dem sie sehr scharfsinnig einen Zustand absoluter Verwirrung als Grundtenor des Blatts konstatiert.

Mit der Bravo Girl hatte ich persönlich zwar keinen Kontakt, wohl aber mit ihrem Unisex-Vorläufer Bravo. Eigentlich würde ich ja gerne behaupten, dass ich die nur wegen der Sexseiten gelesen habe, dann könnte ich jetzt aber schlecht angeben, ihren Eindruck meiner Erinnerung nach auch dort bestätigt zu sehen.

Eigentlich geriert sich die Bravo als so etwas wie das Feldhandbuch für Frontsoldaten im Pubertätskrieg. Man erfährt aus ihr, mit welcher Tarnfarbe man in welchem Gebiet verminderten Beschuss erzielt, wie man sich bei Herztreffern zu verhalten hat und wie man sein Gewehr sauber hält (hur-hur). Die Konsequenz des Scheiterns wird dabei nie ausgesprochen, doch lauert sie stets bedrohlich knapp unter der Oberfläche. „Was soll ich tun, wenn er mich nicht süß findet“, fragt sich das Mädchen im Fotoroman manchmal, aber zum Glück verhält sie sich stets nach der empfohlenen Standardstrategie, weswegen der Konflikt vollständig beendet werden kann.

Trotzdem: Die Unsicherheit bleibt. Ninia hat völlig recht wenn sie sagt, dass die Auswahl dieser Strategie nicht nachvollziehbar ist. Das Problem ist nämlich immer, so scheint es mir jedenfalls, dass das Konfliktszenario entsprechend zur angestrebten Auflösung entwickelt wird. Die Firma XX will Armbänder für Jungs auf den Markt bringen und hat dafür den Sänger XY als Werbefigur gewinnen können? Klar, der Artikel schreibt sich doch von alleine: „Was du tun musst, um so cool wie XY rüber zu kommen“.

Dass so etwas überhaupt funktionieren kann liegt in der Tatsache begründet, dass „Teenager“ und „Verunsichert“ quasi synonym ist. Nur so ist es möglich, dass die Bravo mit ihrer großflächigen Beratungssalve eine akzeptable Trefferquote erzielt. Hast du eine Freundin? Nein? Tut mir leid, aber dann stimmt was nicht mit dir. Ließ schnell nach, wie du das ändern kannst.
Ja? Schön, aber wie lange noch? Ließ schnell nach, wie du sie behalten kannst.

Unterm Strich ist die Verwirrung also nicht Bug, sondern Feature. Es ist eine alte Weisheit, dass jede Institution stets auch an der Erhaltung des Problems interessiert ist, zu dessen Lösung sie da ist. Die Zielgruppe der Bravo sind verwirrte Teenager.
Nein, ich möchte nicht behaupten, dass die Bravo das absichtlich machen würde. Das würde ein Maß an Reflexion benötigen, das ich ihr eigentlich nicht zugestehen möchte. Trotzdem, instinktiv scheint man da so einiges „richtig“ zu machen. Wenn das Handeln der älteren Generation von Konzeptlosigkeit geprägt ist, gedeiht die Verunsicherung der jüngeren Generation umso besser.

Ich fühle, dass ich heute Nacht einen Traum haben werde, bei dem ich einer Manifestation der Bravo begegne.

„Wie ist das mit dir,“ werde ich so blöd fragen, wie man das im Traum manchmal tut, „machst du die Welt besser?“

„Natürlich tue ich das,“ wird sie ohne zu zögern antworten. „Mit jeder umgeblätterten Seite wird alles ein wenig besser.“

„Das ist schön,“ werde ich sagen und fühlen, wie ich entspannt in tiefere Sphären abdrifte.

„Das würde ich an deiner Stelle nicht tun,“ wird sie dann sagen, und ihr Ton wird eine leicht drohende Färbung angenommen haben. „Siehst du nicht, dass ich auch deiner Konkurrenz helfe? Denn ja, du hast eine Menge Konkurrenz, da der Pool möglicher Partner begrenzt ist. Kannst du es dir leisten zu schlafen, wenn es die Welt nicht tut?“

Dann werde ich mitten in der Nacht hochschrecken und in die Dunkelheit blinzeln, während der Traum wie Sand zwischen meinen Fingern verrinnt. Nur so ein vages Gefühl der Bedrohung wird zurückbleiben....

Rezension: Black Swan

Kategorie: Kinofilm

Die Fakten: Der neuste Film des Shootingstars Darren Aronofsky handelt von der Inszenierung des Ballettsstücks „Schwanensee“, bei dem die junge Ballerina Nina Sayers (Natalie Portman) die Hauptrolle zu ergattern hofft. Das Stück wird von dem genauso berühmten wie exzentrischen Thomas Leroy (Vincent Cassell) inszeniert, der seinen Darstellern alles abverlangt und keine Grenzen im Umgang mit ihnen kennt.
Nina selbst ist so etwas gewohnt, da ihre Mutter Erica (Barbara Hershy), die treibende Kraft hinter ihrem Schaffen, sehr ähnlich mit ihr umgeht. Sie war selbst früher Ballerina, allerdings ohne großen Erfolg, weswegen sie jetzt ihren Traum durch die Tochter auslebt. Ihre „Fürsorge“ hat Nina zu einem ziemlichen Nervenbündel gemacht, das sich ständig selber blutig kratzt, viel kotzt und eigentlich vor allem Angst hat, was sich bewegt.

Als Nina die begehrte Rolle tatsächlich bekommt dreht sich die Psycho-Spirale immer weiter. Während ihr Thomas immer extremer auf die Pelle rückt eskaliert die Situation mit ihrer Mutter zusehends. Zusätzliche Probleme bereitet die Ballettkollegin Lily (Mila Kurnis), bei der sich Nina nie ganz sicher ist, ob sie Freundin oder Konkurrentin ist.

Besondere Probleme bereitet Nina indes die Darstellung des Black Swan, eines bösen Zwillings ihrer Rolle, der ebenfalls von ihr verkörpert werden soll. Als sie versucht sich seiner „dunklen und zerstörerischen Energie“ zu öffnen, wie es Thomas von ihr verlangt, beginnt ihr strapaziertes Nervenkostüm zusehends zu zerfasern. Die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit verschwimmt für sie immer mehr, bis sie droht sich völlig im Wahn zu verlieren.

***Achtung: Ab hier gibt es Spoiler***

Was mich Luftsprünge machen lässt: Black Swan ist mit so viel Wucht inszeniert, dass es einen in den Sessel presst und kaum noch Luft zum atmen lässt. Ninas Abstieg in den Wahnsinn hat die Energie eines abstürzenden Aufzugs, und Natalie Portman weiß ihre verzweifelte Hilflosigkeit auch überzeugend darzustellen. Genial kulminiert das in der Schlussszene, in der die Kamera unbeirrbar hinter Nina klebt und ihr auf eine perfekt choreographierte Achterbahnfahrt durch alle Welten und Ebenen hindurch folgt. Ich habe schon einige Filme, wie z..B. Matrix Revolutions, gesehen, die ähnlich fulminante Schlussakkorde angestrebt haben, nur um sich in kopfloser Hektik zu verzetteln – Black Swan zeigt endlich, wie man so etwas richtig macht.
Neben dem ganzen technischen Können weiß aber auch die Darstellung der systematischen Zerstörung Ninas zu überzeugen. Ihre Mutter hat sie durch konstante Beschneidung zu einem hübschen kleinen Bonsaibäumchen verkrüppelt, aus dem Thomas nun das rechte Feuerholz zu machen weiß. Das System, in dem Nina feststeckt, kennt keine Gewinner, sondern nur Material. Demonstriert wird das an Hand der alternden Diva Beth, die alles erreicht hatte, wovon Nina träumt, jetzt aber wegen ihres Alters als gebrochenes Wrack am Wegesrand zurück bleibt während der Zirkus weiterzieht. Für Nina gibt es nur den Moment, aber ganz sicher keine Zukunft.

Die Stärke und Relevanz von Black Swan liegt dabei darin, dass die Formelhaftigkeit der Geschichte mit dem nötigen Fingerspritzengefühl herausgearbeitet wird. Die Fabel vom Material Mensch, das zum Futter des von ihm geschaffenen Systems wird, ist brisant umgesetzt. Sätze wie „Hör auf so schwach zu sein!“ und „Ich bin mir nicht sicher, ob du das hier wirklich willst“ hat man so auch schon von Detlef D! Soost und Bruce Darnell gehört. Black Swan funktioniert deshalb auch bestens als Parabel auf die ganzen Casting Shows und der damit einhergehenden Mentalität. Man kann sich auch jetzt schon mal fragen, wie die jetzige Riege der Finalisten von DSDS einmal ihre Kinder aufziehen wird. „Du hast es doch nie geschafft aus dem Chor heraus zu kommen,“ schmettert Nina einmal ihrer Mutter entgegen, in einem der wenigen Momente, in denen sie ihr Paroli bietet. Damit reflektiert sie die Weltsicht, die sie von dieser mitbekommen hat, und der unterschwellig dabei mitschwingende Vorwurf lautet freilich: Du hattest keinen Namen, kein Gesicht, keine Stimme. Du bist niemals wirklich Mensch gewesen.

Was mir trotzdem eine leichte Muskelzerrung verpasst: Black Swan ist laut! schnell! heftig! In seinem ganzen Verlauf gibt es keine ruhige Szene, in der man als Zuschauer mal Zeit hätte das Geschehen zu reflektieren und Ninas Entwicklung angemessen rational zu betrachten. Zuschauer, die keine Lust darauf haben den Film anschließend noch einmal in Gedanken durchgehen werden deswegen wohl Mühe haben, alle Facetten korrekt einzuordnen. Diese Form der Überforderung ist natürlich Stilmittel, das Ninas eigenen Zustand reflektiert, wird aber auch leicht anstrengend.
Überhaupt ist Nina schon wirklich sehr stark auf Opferlamm getrimmt. Sie ist eine Flipperkugel, die unbarmherzig immer wieder gegen die Bande geknallt wird, und auch wenn sie den Jackpot abräumt ist klar, dass ihr endgültiges Schicksal nur im Aus liegen kann. Das schmeckt dann doch so stark nach Passion Christi, dass am Ende auch eine Kreuzigung mit anschließender Himmelfahrt kommen könnte.
Überhaupt sind Mutter Erica und Thomas solche Klischeefiguren, dass sie direkt aus einem Lehrbuch abgeschrieben zu sein scheinen. Aber halt, hier kann ich nicht wirklich mäkeln – Inszenierung und Darstellern ist es nämlich zu verdanken, dass diese Rollen doch so plastisch wirken, dass es eher scheint, als ob die Lehrbücher über sie geschrieben worden wären. Unterm Strich werfen auch die Platitüden in Black Swan lange Schatten, und schon das allein ist sehenswert.

Mein Fazit: Wenn Ballett immer so wäre, würde ich es auch schauen.

Mittwoch, 2. Februar 2011

Rezension: Tron Legacy

Kategorie: Kinofilm

Die Fakten: Tron Legacy ist die Fortsetzung des etwas obskuren Kultfilms Tron von 1982, der dank (damals) bahnbrechender Effekte und dem einzigartigen Design trotz seiner ziemlich blöden Story bis heute viele Fans hat. Der Film handelt von dem Computergenie Kevin Flynn, der physisch in die digitale Welt transferiert wird, wo er gegen anthropomorphe Programme um sein Leben kämpfen muss. Tron bedient sich dabei spezifisch der Paradigmen der Computerspiele, so dass dieser Konflikt vor allem aus Laufen, Springen und Schießen besteht.

Tron Legacy handelt nun von Kevin Flynns Sohn Sam, der auf der Suche nach seinem verschollenen Vater ebenfalls in die Welt der Computer gesaugt wird. Dort muss er feststellen, dass die schöne neue Elektronenwelt seines Vaters nun von einem faschistischen Regime beherrscht wird, an dessen Spitze Clu steht, ein digitales Alter Ego von Kevin Flynn. Es folgt wieder eine Menge Laufen, Springen und Schießen.

Während der ursprüngliche Tron visionär-futuristisch daher kam, ist Tron Legacy als Homage angelehnt, die Stil und Ästhetik des Vorgängers kopiert und nur den gegenwärtigen Qualitätsmaßstäben und Rezeptionsgewohnheiten anpasst. Das Ergebnis ist deshalb eher was für Retro-Fans und Verehrer der 80ger, also vor allem Leute die mit dem ersten Film mitgealtert sind. Die Story ist diesmal routiniert-belanglos, und damit wenigstens nicht so hanebüchen wie im Vorgänger. Die Schauspieler leisten solide Arbeit, aus der das Spiel zwischen Jeff Bridges (Kevin) und Garrett Hedlund (Sam) zusätzlich angenehm hervor sticht.

Ach ja: Der titelgebende Tron ist in beiden Filmen nur eine Nebenfigur, was mehr über sie aussagt als ich hier schreiben könnte.

***Achtung: Ab hier gibt es Spoiler***

Was meinem Interesse den Stecker rausgezogen hat: Auch vom Storygerüst ist Tron Legacy so klassisch, wie man nur sein kann: Alles läuft nach Schema F, Überraschungen gibt es keine. Natürlich ist die Story bei dieser Art Film nur dazu da, um Schauplatzwechsel zu legitimieren und verfolgt als Hauptziel, der Action nicht im Wege zu stehen. Diese Aufgabe erfüllt sie auch gut, mir persönlich genügt das aber nicht. Zwischen dem ganzen Laufen, Springen und Schießen ist halt auch nicht mehr Platz für Charakterisierung als Spieler 1: Gut, Spieler 2: Böse. Beachtlich aber gerade hier, was Bridges und Hedlund trotzdem an Vater-Sohn-Dynamik auf die Leinwand bringen.

Die Action selbst ist auf der Höhe der aktuellen Kunst, gewinnt aber auch keinen Innovationspreis. Vor allem ist es hierbei schade um das verpasste Potential, da sich die Kämpfe konzeptionell noch immer an Computerspielen orientieren, dabei aber ihre Evolution in den letzten Jahren ausklammern. Unterm Strich führt das zu den gleichen Motorradrennspielchen wie vor 30 Jahren, ohne deren Innovation transportieren zu können. Wenn man sich darauf einlassen kann bringt einen die Action trotzdem als visuelle Achterbahnfahrt ganz gut über die Zeit.

Eben diese Innovationsarmut ist es aber auch, was mich am meisten an Tron Legacy stört. Immerhin begründet das Original seinen gesamten Erfolg auf der Tatsache, dass es zumindest konzeptionell bahnbrechend war. Das Spiel zum Film, welches die Motorradrennen nachstellte, war unheimlich erfolgreich – was zeigt, wie gut die Macher das Medium verstanden, das sie abbildeten. Bei der neuen Version ist das schwer vorstellbar. So versessen wie der Film darauf ist, seinen Vorgänger stilistisch zu kopieren, wirkt er schon jetzt wie ein perfekt restauriertes Museumsstück. Die Film deutet sogar selbst ironisch darauf hin, als Sam am Schluss die komplette digitale Welt, die im Labor seines Vaters auf einem Mainframe gespeichert ist, kurzerhand auf sein Handy transferiert um sie mitzunehmen.

Was trotzdem mein Interesse geweckt hat: Damit sind wir endlich an dem Punkt, warum ich überhaupt über diesen Film blogge: Die Vater-Sohn-Beziehung zwischen Kevin und Sam Flynn, die der Kern der Story ist. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine Dreiecksbeziehung, da auch noch Clu dazu gehört, der abtrünnige Avatar des Vaters. Obwohl der Film natürlich nicht sehr tiefschürfend in dieser Sache ist finde ich, dass die Konstellation und ihre Auswirkungen doch einen zweiten Blick wert ist.

Sams großes Problem ist es nämlich, dass er seinen hollywood-perfekten Vater so sehr vergöttert, dass er durch sein Verschwinden völlig aus der Bahn geworfen wird. Sein Leben ist eine einzige Anhäufung von Misserfolgen. Man ahnt, dass er nichts aus eigenem Antrieb getan hat, sondern immer nur versuchte seinem imaginären Vater gerecht zu werden, was ihn beim leisesten Zweifel sofort wieder alles über Bord werfen lässt. Innerlich ist er immer noch ein kleiner Junge, der sich nach der Anerkennung seines Vaters sehnt, ohne dass etwas diese Lücke ausfüllen könnte. So interessiert er sich auch nur da für die Machenschaften des Familienunternehmens, wenn er glaubt, dass diese den Absichten Kevin Flynns entgegen laufen.
Obwohl Kevin als World's Greatest Dad eingeführt wird stellt sich deshalb die Frage, inwieweit er dabei versagt hat seinem Sohn etwas Eigenständigkeit beizubringen. Vielleicht hätte er sich mal ein paar von Sams Schulhofgeschichten anhören sollen, statt immer nur über das Grid und seine eigenen Erfolge zu schwadronieren. Der Film präsentiert es als bewundernswerte Eigenschaft von Kevin Flynn, auch bei Computerspielen niemals gegen seinen Sohn antreten zu wollen, sondern immer nur im Team mit ihm zu spielen. Diese Obsession macht es Sam allerdings auch unmöglich einen Erfolg zu erzielen, den er nicht mit seinem Vater teilen müsste.

Kevins allgemeine parentale Großartigkeit sorgt aber auch dafür, dass die Wiedervereinigung von Vater und Sohn in der Computerwelt erfolgreich harmonisch verläuft. Der Vater, nun noch älter und weiser als zuvor, erkennt sofort wie schwer es Sam ohne ihn hatte und fühlt mit ihm. Für mich die beste Szene im Film ist der Moment, in dem das in Form eines ausgezeichnet kondensierten Dialogs zu Tage tritt. „Wie sieht es sonst aus in deinem Leben“, fragt Kevin Flynn, als man zum Essen beisammen sitzt um das Wiedersehen zu feiern. „Hast du eine Frau oder Freundin?“. „Nein, hab ich nicht,“ antwortet Sam etwas zögerlich, nachdem er zuvor schon zugeben musste, dass er vom College geflogen ist, „Ich habe einen Hund.“ „Ach, ein Hund, jaja. Ein Hund, das ist doch...nett.“
Als es im weiteren Verlauf der Handlung dann zu Sams erster echter Rebellion gegen seinen Vater kommt ist dieser auch so einsichtig, dass er seinem Sohn nicht nur vergibt, sondern ihn auch noch dabei unterstützt.

Eine besondere Rolle kommt dabei Clu zu, der eine interessante Mittelposition zwischen beiden einnimmt. Er ist ein Geschöpf von Kevin und deshalb auch so etwas wie ein Sohn für ihn, gleichzeitig aber auch sein Abbild und deswegen eine Art Vater für Sam. Dies erlaubt es beiden Figuren, alle negativen Emotionen auf ihn zu projizieren, wodurch die Harmonie ihrer Beziehung gewahrt bleibt. Clu ist den hohen Erwartungen des Vaters nicht gerecht geworden und hat sein Lebenswerk pervertiert, während er gleichzeitig der personifizierte Grund für dessen Entfremdung von Sam ist. Als Universal-Feindbild ist er der Klebstoff, der die beiden Flynns zusammenhält.
Am Schluss ist es aber Kevin, der Clu besiegt. Indem er mit seinem Avatar wieder verschmilzt werden beide vernichtet (komische Idee, aber meinetwegen). Durch diese Verschmelzung von Gott und Teufel mögen zwar die Sünden der Väter weggewaschen werden, effektiv wird Sam Flynn aber mal wieder um einen eigenen Erfolg gebracht.

Verkompliziert wird das durch die Figur der Quorra. Die künstliche Frau ist gleichzeitig (vermutlich platonische) Geliebte und Tochter von Kevin, ihr gelingt am Ende aber zusammen mit Sam der Übergang in die fundamentale Realität. Eine Liebesgeschichte zwischen den beiden wird angedeutet. Das ist eine dermaßen ödipale Konstellation, dass ich echt schwarz für die Emanzipation Kevins sehe. Selbst wenn er danach die Führung des Familienkonzerns übernimmt kann das eigentlich konsequenterweise nur so interpretiert werden, dass er die Rolle des Vaters zum Preis seiner eigenen Identität übernimmt.

Schlussendlich habe ich deshalb das Gefühl, dass sich Tron Legacy an der Geschichte überhebt, die es zu erzählen versucht. Die Idee eines virtuellen Sündenbocks zur Klärung familiärer Konflikte könnte allerdings Potential haben.

Mein Fazit: Ein Update für Nostalgiker, die alte Sachen auf zeitgemäßem Equipment mögen.

Montag, 31. Januar 2011

Rezension: The World Ends With You

Typ: Computerspiel Plattform: Nintendo DS

Die Fakten: Der Teenager Neku findet sich plötzlich in einem bizarren metaphysischen Spiel wieder, bei dem er sich in einer Art Mischung aus Schnitzeljagd und Running Man durch Shibuya (dem Szene-Viertel von Tokyo) schlagen muss. Als größtes Problem erweist sich dabei, dass die Aufgaben nur im Team gelöst werden können – für Neku eine Katastrophe, da er bisher sein ganzes Leben darauf ausgerichtet hat Kontakt mit anderen Menschen möglichst zu vermeiden. Da aber außer Sieg nur noch der Tod als Option offen steht bleibt ihm nichts anderes übrig, als mit sich selbst als schlimmstem Feind die Herausforderung anzunehmen.

Das hervorstechendste Merkmal an The World Ends With You ist das ungewöhnliche Szenario, bei dem es sich um so etwas wie eine Mythologie der Jugendkultur handelt. Die Semiotik der Teenager-Subkulturen wird hier völlig unironisch als faktische Realität akzeptiert.
Das betrifft vor allem die Mode und die Formen der Identifikation über sie: Schicke Sportschuhe machen einen in diesem Spiel tatsächlich schneller, während nietenbesetzte Lederarmbänder zu mehr Stärke verhelfen. Jeder Charakter besitzt allerdings einen (im Spielverlauf veränderbaren) Mut-Wert, der bestimmt was für Kleidung er tragen kann. So erhöhen z.B. die meisten Klamotten aus der Grufti-Ecke die Leidensfähigkeit extrem, benötigen aber auch sehr viel Mut, bevor man sich damit auf die Straße traut.
Dazu kommt, dass in den verschiedenen Gebieten Shibuyas unterschiedliche Marken mehr oder weniger angesagt sind, was ebenfalls wieder Auswirkungen auf die Effekte der Kleidung hat. Das ist allerdings nicht statisch, denn man kann (und sollte) sich auch als Trendsetter betätigen - je aktiver man in einem Gebiet ist, desto mehr steigt dort die Beliebtheit der Marken, mit denen die Spielfigur ausgestattet ist.

Die Akribie, mit der dieser wichtige, aber nichts desto trotz untergeordnete Aspekt des Spiels umgesetzt ist zeigt, wie stringent das ganze Konzept aufgebaut ist. Teenager-Alltag als Abenteuer inszeniert steckt tatsächlich in allen Facetten des Spiels. Auch des Shoppen selbst hat seine ganz eigenen Herausforderungen, über Cola und Hamburger will die Beziehung zum Teampartner gepflegt werden, und virale SMS ermöglichen es, Meme mit dem Handy direkt in die Köpfe anderer Leute zu pflanzen.

Als Geschichte über die Pubertät fußt das Spiel natürlich auf einem Konflikt mit der Welt der Erwachsenen, hier repräsentiert durch die Reaper, die mysteriösen Veranstalter und Schiedsrichter des Spiels. Diese an und für sich übermächtigen Wesen sind ebenfalls in die labyrinthischen Regeln des Spiels verstrickt, was sie in ihren Handlungsmöglichkeiten extrem einschränkt. Zudem ist das Spiel für sie nur ein Job - anders als bei den Spielern, die buchstäblich um ihr Leben spielen. Einige Reaper sind karrieregeil und hypermotiviert, andere reißen nur ihre Arbeitsstunden runter bis zum Feierabend. Die Welt der Spieler berühren sie nur, ohne sie jemals zu überlappen.
Dazu passt auch, dass viele Aufgaben sinnlos erscheinen oder schlicht pure Schikane sind. Nach jedem gelösten Problem erhält man auch ein Zeugnis, das die Leistung auf verschiedenen Gebieten bewertet. Die finale Runde des Spiels ist dann schließlich der große Abschlusstest, bei dem man versuchen kann seine individuelle Freiheit zurück zu gewinnen.


Was mich begeistert: The World Ends With You ist ein kleines, aber sehr feines Spiel, das momentan ganz schön viel von meiner Freizeit frisst. Schuld daran ist vor allem die packende Geschichte des Spiels, denn trotz seiner starken simulativen Elemente wartet TWEWY nämlich mit einem mächtigen Plot auf. Das Anders-Shibuya ist mit einer großen Anzahl vielschichtiger Charaktere bevölkert, von denen viele im Spielverlauf tiefgehende Veränderungen durchmachen, wie es auch bei einer Story über die Pubertät sein sollte. Sie wird über exzellent geschriebene Dialoge erzählt, die allerdings in eine heftige Portion Jugendslang verpackt sind (“Wassap dawg?“).

Nekus Auseinandersetzung mit dem Spiel, den ungeliebten Teamkollegen und ultimativ auch mit sich selbst ist glaubwürdig und ansprechend inszeniert. Statt eines platten Moments der Erkenntnis inklusive Monolog zum Publikum gibt es eine Serie von subtilen Gesten und Anmerkungen, die komplexe innere Vorgänge widerspiegeln.

Dass solch tiefgreifende Änderungen der Persönlichkeit möglich sind kommt dabei daher, dass das Spiel nicht mit schweren Themen und harten Momenten geizt. Der Prozess des Erwachsenwerdens ist eng an die Erfahrung des Verlusts gekoppelt, und TWEWY macht konsequenterweise immer wieder darauf aufmerksam, dass alles seinen Preis hat, jede Aktion eine Reaktion nach sich zieht und das Leben nicht immer fair ist. Nekus fixe Idee, auch ohne andere Menschen durchs Leben kommen zu können, wird deshalb als pure Naivität entlarvt, was er mit dem Verlust seiner Unschuld bezahlt.

Nicht zuletzt begeistert mich aber auch einfach das Szenario an sich, in dem ich viel von meiner eigenen Teenagerzeit wiedererkenne. Diese Art, die Sichtweise von Heranwachsenden einfach mal ernst zu nehmen, ist erfrischend und hat mir einige neue Perspektiven eröffnet. Zudem ist es auch verblüffend, dass sich auf diese Weise so epische Geschichten erzählen lassen. Bei weiterem Nachdenken erscheint mir das aber auch sehr plausibel, da – auf Grund der früheren Lebenserwartung – unsere ältesten Mythen wohl auch von Personen erdacht wurden, die im fraglichen Alter waren; und die Geschichten von Loki, Seth, Astarte & Co. wirken auch sehr passend, wenn man sich die Protagonisten als 16jährige vorstellt.


Was mich trotzdem stört: TWEWY ist eine störrische Schönheit, die zwar alles elegant, aber nicht immer komfortabel macht. Das Kampfsystem, das mediale Überforderung als Stilmittel einsetzt, nehme ich noch so hin, zumal es sich durch Optionen etwas entschärfen lässt. Bereiche wie das Steigerungssystem der Kampffähigkeiten scheinen mir aber unnötig kompliziert.

Bei den Nebenfiguren ist es leider so, dass einige zu komplex sind, als dass sie in der ihnen zustehenden Screen Time ausreichend beleuchtet werden könnten. Das führt dazu, dass die Story teilweise etwas ausgefranst wirkt. Allerdings wird dadurch die thematische Aussage unterstrichen, dass es kein hundertprozentiges Verständnis zwischen Menschen geben kann und man sich deshalb darauf konzentrieren muss das beste aus dem zu machen, was möglich ist. Ich habe das Spiel aber noch nicht ganz durchgespielt, weswegen ich hier vielleicht noch nicht das ganze Bild kenne.

Auf der spielerischen Ebene kommen leider einige Elemente, allen voran die virale Verbreitung von Memen, sträflich zu kurz. Da ist noch eine Menge brach liegendes Potential, das freilich alleine schon für ein ganz eigenes Spiel genügen und deshalb TWEWY auch überfrachten würde. Trotzdem ist die Mem-Spielerei so nichts halbes und nichts ganzes, und deshalb effektiv nur enttäuschend.

Am problematischsten finde ich aber, dass es keine interaktiven Elemente auf der Plotebene gibt. Der Handlungsverlauf spielt sich leider immer gleich ab, ohne dass man ihn beeinflussen könnte. Das wirkt leider etwas wie „So, alle Mann Klappe halten und hinsetzen! Ich erzähl euch jetzt was über persönliche Entfaltung.“
Da die Geschichte aber wie gesagt ansprechend und mitreißend ist, bin ich allerdings bereit dazu das in Kauf zu nehmen.

Mein Fazit: I'm on fire, baby!

Samstag, 29. Januar 2011

Der Nerd ist mein Hirte. Mir wird an nichts mangeln

Das Klischee des Nerd ist die ursprünglichste Gestalt des Internets. Für den Otto-Normal-User ist er so etwas wie ein mythologisches Wesen: Mensch und doch nicht ganz Mensch, an seltsamen Orten fern der Zivilisation hausend und wahrscheinlich mit arkanem Wissen und geheimnisvollen Mächten ausgestattet. Man kann Pakte mit ihm schließen durch die viel zu gewinnen ist, aber dabei wird man nicht darum herum kommen seltsame Sitten und fremdartige Gesetze zu lernen. Er ist der Ureinwohner dieser Gefilde, der das Land schon lange erschloss, bevor die neuen Siedler kamen und ihre „Web 2.0“ Fahne in den Boden rammten.

Was den Nerd vor allem auszeichnet ist die Liebe, die er dem Gebiet seiner Wahl entgegen bringt. Der Normal-User wird auf den Nerd meist erst dadurch aufmerksam, dass er mit einem seiner Werke konfrontiert wird und wundert sich dann gerne darüber, dass ein Mensch solche Projekte auch ohne Aussicht auf Bezahlung oder Ruhm stemmt. Hat der denn zu viel Freizeit? fragen sich die Leute dann gerne und setzen damit stillschweigend voraus, dass das Werk aus einem Überschuss an Energie entstand.

Dabei führt der Aspekt der Liebe dazu, dass es irgendwann schwieriger wird eine Sache nicht zu tun, als dem Drang nachzugeben und sie zu realisieren. Schlussendlich folgt der Nerd nur dem Weg, der für ihn am einfachsten ist. Dass dabei etwas entsteht, von dem auch andere potentiell profitieren können ist ein Nebeneffekt, der mit der Sache an sich nur peripher zu tun hat.

In dieser Eigenschaft ist der Nerd der erste sesshafte Bauer unter medialen Jägern und Sammlern. Ist ein Feld erst einmal abgeerntet zieht der Normal-User weiter, da sicher auch hinter der nächsten Bergkette etwas schmackhaftes zu finden ist. Der Nerd hingegen, der den Geschmack nicht mehr vergessen kann, bleibt um den Boden neu zu kultivieren. Dazu erforscht er die Eigenheiten der Früchte bis ins kleinste Detail und ist sich auch nicht zu schade dafür, im Dreck nach den Wurzeln zu graben. Er sät und päppelt, stützt und beschneidet, und manchmal mag er auch durch ungewöhnliche Verpaarungen komische Mutanten erschaffen. Unter seiner Hand gedeihen auch eigentlich längst ausgestorbene Gattungen vorzüglich.

Auch ich stehe jetzt hier als medialer Bauer und bestelle meinen Acker. Mal sehen, wie fruchtbar der Boden ist und wie lange das Wasser reicht. Und ob ich hier wirklich sesshaft werden kann, oder ob mich schon bald wieder die Reiselust übermannt.

Layer 1 - Ich gegen die Welt

Ey Alter, „Ich gegen die Welt“? Ganz schön aggro, wa?

Schon möglich, aber mir geht es nicht um (sinnlose) Zerstörung. Ich interessiere mich für die Momente, in denen Subjektives und Objektives in Konflikt mit einander geraten, aber das muss nichts negatives sein.

Unsere gesamte Wahrnehmung basiert auf dem Prinzip, dass uns die Welt um uns herum etwas entgegen setzt. Der Eindruck der Berührung entsteht dort, wo Bewegung durch etwas gebremst wird. Lichtwellen müssen erst durch etwas reflektiert werden, bevor unser Auge was damit anfangen kann. Allein die Intensität bestimmt dabei, ob wir ein sanftes Streicheln oder einen harten Schlag erleben, ob das Licht blendend oder erhellend ist.

Dementsprechend möchte ich mir ansehen was da passiert, wo Ich und Welt aufeinander treffen, und welche Auswirkungen das nach sich zieht. Inwieweit formen wir die Welt, und inwieweit werden wir von ihr geformt? Wo ist Platz für Individualität im vernetzten Raum, und wie viel Vernetzung braucht ein Individuum, um sich auch als solches begreifen zu können?

Klar, das Thema ist uferlos, denn immerhin ist die Beschränkung unserer persönlichen Entfaltung eine der fundamentalsten Erfahrungen unserer Existenz. Zumindest wird mir aber das Material so schnell nicht ausgehen.

Layer 0 - Warum ich blogge

„You don't have to judge me. But you will.“
- alienbinary

Wenn der Vogel morgens erwacht weiß er nichts von der Welt, die ihn umgibt. Er öffnet einfach nur den Schnabel und schmettert los - ein simples, klares Ich existiere. Nicht mehr und nicht weniger.

Wenn er Glück hat stellt sich heraus, dass er nicht allein ist. Nach und nach ertönen dann immer mehr Stimmen um ihn herum, einzelne Töne formen sich zum Lied, viele Sänger werden zum Chor, und gemeinsam begleiten sie die Sonne bei ihren ersten Schritten über den Horizont.

Aus Ich existiere wird Wir existieren, aus einzelnen Individuen wird eine Gemeinschaft, aus einem Lied wird ein kulturelles Gut. Wir sind das Ich und die Welt. Unsere Kommunikation beweist es.

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